Familie, Harley Davidson und die Kunst, deine Geschichte zu zeichnen

Tätowieren ist ein Beruf, der junge Menschen häufig fasziniert. Aber wie erlernt man dieses Handwerk? Unser Lieblings-Tätowierer und Freund Werner Businger von Old Century Tattoo stellte seine Weichen schon sehr früh – für einen Berufsweg, der so verlockend wie unerreichbar schien.

Ein Portrait über Tattoo-Künstler Werner Businger

Tätowieren ist ein Beruf, der junge Menschen häufig fasziniert. Nur: Wie wird man Tätowierer? Unser Lieblings-Tätowierer und Freund Werner Businger von Old Century Tattoo stellte seine Weichen schon sehr früh – für einen Berufsweg, der so verlockend wie unerreichbar schien.

Seine «Werkstatt» gleicht einer Kunst-Galerie, und nur das Summen der Tätowier-Maschinen lassen uns sicher sein, wo wir wirklich sind: im Old Century Tattoo-Studio. Werner Busingers Vorliebe ist die Kunst, sein Beruf ist das Zeichnen. Aber eigentlich macht er viel mehr als das. Er verziert Menschen mit kleinen Geschichten. Früher wie heute tragen wir unsere Geschichte mit Stolz auf der Haut. Egal, was wir symbolisch ehren: Werner Businger ist durch sein kreatives Schaffen ein Teil davon.

Ich setze mich auf den alten Barber-Stuhl, der in der Mitte des Studios steht. Es ist eine Plakette angebracht: «No Whiners» – auf Deutsch: Keine Heulsusen! Ich verkneife mir eine Träne und frage Werner, wie lange er nun das Old Century Tattoo-Studio schon führt. Es sind acht Jahre. Eigentlich sollte ich es wissen, ich bin einer seiner ersten Kunden gewesen. Zumindest innerhalb des ersten Jahres – die Warteliste war endlos. Als Tätowierer arbeitet er schon seit über 17 Jahren – zuletzt im weltbekannten XXX Tattoo-Studio in Luzern. Der Weg zum eigenen Studio war kein einfacher.

Begonnen hat seine Karriere im Grunde schon in seiner Kindheit. Mit Film «Easy Rider», Peter Fondas und Dennis Hoppers Meisterstück über Freiheit, Exzesse und der «Captain America», der kultigen 62er-Panhead-Harley aus dem Film. Den Lauf nahm seine Karriere dementsprechend an einem Harley-Davidson-Treffen, das er im Alter von 10 mit seinem Vater besuchte. Da ratterten Custom-Bikes und es wurde tätowiert. Gelockt haben ihn damals die Harleys, geprägt haben ihn aber die Tattoos: «Nach dieser Convention war klar, dass ich Tätowierer werden wollte. Wie das gehen sollte, davon hatte ich aber keine Ahnung», schmunzelt er.

Während Werner spricht, summt die Tätowier-Maschine weiter. Er bedient gerade einen Kunden. Wäre jetzt Sommer, stünde vor dem Shop bestimmt seine Softail Springer. Ein klassischer Chopper aus den 80ern, der Dennis Hoppers «Billy Bike» in «Easy Rider» gar nicht so unähnlich sieht. Der Chopper ist ein verwirklichter Traum. Auch den Start ins Berufsleben widmete Werner den Zweirädern.

Mit 16 Jahren startete er eine Lehre als Motorrad-Mechaniker. Nebenbei zeichnete er. Dann in der Töff-Werkstatt arbeiten, Berufsschule und wieder Zeichnen. Service für Hondas, Suzukis und Kawazakis, Pneu wechseln, Werkstatt fegen und wieder Zeichnen. Nicht gerade der Traum eines ehrgeizigen Künstlers, aber es war ein Anfang, wie ihn so viele Künstler durchlaufen, bis sie sich von den Ketten des gewöhnlichen Arbeitens gelöst haben, um sich ganz aufs kreative Schaffen zu konzentrieren. Vielleicht ging an ihm ein fantastischer Motorrad-Mechaniker verloren. Aber er setzte nach der Lehre alles auf die Tätowierer-Karte: «Wäre ich in einer Harley-Bude gelandet, in der ich Custom-Umbauten gemacht hätte, wäre ich heute vermutlich Mechaniker», vermutet Werner.

Der Einstieg als Tätowierer war hart. Wie steigt man in einen Beruf ein, zu dem es keine Lehre, kein Studium, keine Ausbildung gibt? Nun, man findet jemanden, der einem alles beibringt. Ohne fixen Lohn, versteht sich. Seine Familie stand immer hinter ihm. Unterstützte ihn, wenn der Weg zu steinig war. Er suchte über zwei Jahre nach einem Tätowierer, der ihm das Handwerk zeigte. Werner stellte über mehrere Jahre eine Mappe zusammen, gebündelt aus den besten Zeichnungen und anderen künstlerischen Arbeiten – ich erinnere mich an einen Hot Rod, den er aus einem alten Kinderwagen gebaut hatte. Aber meistens bekam er die Türe vor der Nase zugeknallt. Im übertragenen und wörtlichen Sinn.

2003 fand Werner den ersten Job als Tätowierer. Dazu pendelte er jeden Tag, fünf Jahre lang, von Chur nach Olten. Damals bedeutete das sechs Stunden Zugfahrt pro Tag. Es war gerade die Tribal- und Arschgeweih-Phase. Aber er bewährte sich nichtsdestotrotz, stach häufig klassische Punk-Motive wie Totenköpfe oder Schwalben. Und erkämpfte sich so eine Stelle als Tätowierer in Luzern im XXX Tattoo-Studio bei Rob Koss. Diese Erfahrung machte ihn stark. Und vermutlich auch ein bisschen zu dem, wer er heute ist.

Heute, in seinem eigenen Old Century Tattoo-Studio, hängt über dem Entrée zum Tätowier-Bereich eine von Hand gezeichnete Tafel: «Enter As Stranger, Leave As Friend». Als ich Werner frage, was die beste Erfahrung aus der XXX Tattoo-Zeit sei, fallen ihm tausend Dinge ein. Das wichtigste: «Ich habe gesehen, wie Rob Koss seine Kundinnen und Kunden behandelt. Er war ein richtiger Gentleman! Das hat mir sehr imponiert», schwärmt er. Diese Lehre führt Werner auch in seinem Shop weiter.

Wie die Leave-As-Friend-Tafel im Pinstriping hängen im Old Century Tattoo-Studio zahlreiche handgefertigte Gegenstände. Das alte Handwerk fasziniert ihn. Und Werner trägt seinen Stil in die Welt hinaus: 2020 designte er für die amerikanische Kleidermarke «Ship John» das Werner-Tee. Ein nach ihm benanntes T-Shirt im klassischen Old Century Look, das zu meinem Pech in meiner Grösse rasch vergriffen war.

Die Tattoo-Welt kennt Werner Businger schon lange. Er liebt und sticht alle Motive und Styles, aber es gibt nun ein Motiv, dafür ist er europaweit in den Tattoo-Magazinen bekannt: Chopper- und Biker-Tattoos. «Ich habe Kunden, die kommen von Luxemburg nach Chur, um sich ein Biker-Tattoo stechen zu lassen», schwärmt er. Und hier schliesst sich der Kreis von Werners Leidenschaft. Bikes und Tattoos. Und Bike-Tattoos. Gewissermassen kombiniert er zwei seiner Lieblings-Dinge zu einem und zeigt uns allen, dass wir nur standhaft und geduldig sein sollen, wenn wir unseren Träumen folgen. Recht hat er, finde ich.